Wir kenne sie alle – die ganzen Likes, Retweets, Favs, Finger nach oben, Herzen usw. Sie sind ein großer Bestandteil dessen, in welchen wir fast den ganzen Tag verbringen: Sozialen Netzwerken. Sie nennen sich Facebook, Twitter, SchülerVZ aber auch Youtube, Myspace, Kwick, die Lokalisten etc.
In den letzten Jahren haben die Kulturen der Internetcommunities und Netzwerken rasant zugenommen. Kaum einer der sich nicht im Internet herumtreibt besitzt keinen Account bei mindestens einem dieser Angebote. Ihr Nutzen ist simpel: Durch das Anlegen eines Profils und dem Hinterlegen persönlicher Daten knüpfen wir Sozialkontakte, halten diese und lassen uns durch unsere Profile finden. Für viele stellen sie auch ein erstklassiges Kommunikationsmodul dar: Mit Fanpages oder Gruppen lassen sich Informationen ganz leicht austauschen. So gibt es für jede Klasse, jeden Studiengang eigene Facebook-Gruppen, auf denen sich die Schüler und Studenten, Auszubildenden austauschen. Das lästige Anrufen entfällt, wer hat heute nicht eine Internetflat mobil oder fest? Warum nicht „persönlich“ reden, sondern durch geschriebene Worte?
So gut der Nutzen auch ist, so mies kann die Vernutzung dieser sozialen Medien sein. Die Benutzung im kriminellen Sinne. Durch das freiwillige Preisgeben der Daten machen sich die Nutzer immer gläserner. Sie werden von Kriminellen oder auch Werbefirmen genutzt den Nutzer mit Post zuzumüllen, Abfragen wo er sich gerade befindet oder noch schlimmer: die Identität stehlen. Daher sollte jeder wissen und auch hinterfragen, was andere im Netz über ihn wissen sollten. Denn das Internet vergisst nie…
Aber kommen wir zu einem anderen Punkt. Lassen wir uns diese Netzwerke-Manie von einer psychologischen Seite sehen. Der Hauptbestandteil der Netzwerke sind die Statusmeldungen die von den Benutzern ausgehen. Sei es die Information was man gerade macht, wo man gerade ist. Oder einfach ein Video oder Bild geteilt. Viele geben auf diese Weise auch etwas von ihrer Persönlicheit preis. Mit wem sie gerade was auf welcher Party trinken. Oder auf welcher Polizeiwache sie zum Ausnüchtern sind. Das mag gut sein oder schlecht, kommt ganz darauf an, was man wie herüberbringen möchte.
Soziale Medien oder Netzwerke haben auch den Nutzen Informationen zu streuen. In Facebook zum Beispiel treten vermehrt Statusmeldungen auf, in denen nach einer verschwundenen Person gesucht wird. Diese gehen zum Teil auch von den Behörden aus, um die Wahrscheinlichkeit dass jemand die Person gefunden hat zu erhöhen. Diese werden munter weitergeteilt, der sogenannte Schneeballeffekt. Manchmal sind diese Meldungen Fakes und oder geistern immer noch im Netz herum, auch wenn diese Person schon längst gefunden wurde. Das kann manchmal sehr nervtötend sein.
Um die Informationen auch in Bezug auf den Nutzer besser erfassen zu können, haben viele dieser Dienste eine Funktion eingebaut, über die abgestimmt werden kann. Die sogenannten Likes, Favs usw. Wir Menschen sind dazu veranlagt, alles zu werten was uns über den Weg läuft. Ob die schwarze Katze nun hübsch oder ein Unglücksomen sei. Oder ob wir den Mann, der uns die Heizung repariert heiß finden. Diese Wertungseigenschaft der Menschen machen sich die sozialen Netzwerke zu eigen. Man kann die Posts fördern, indem man ihnen ein Plus oder Minus gibt. Dadurch steigt die Wahrheit dieser Statusmeldung oder des Kommentars; andere Nutzer, die diesen lesen werden somit beeinflusst. Schau mal, die Frau sieht aber mal geil aus! – Ernsthaft? – Ne stimmt, du hast recht.
So haben Firmen auch eine gute Grundlage ihre Produkte zu vermarkten. Wenn die Firma einen Link zu einem ihrer Produkte teilt, welches andere nutzen und sehr davon überzeugt sind, bekommt dieser Post einen Pluspunkt. Der Wert dieser Info steigt somit. Und somit die Möglichkeit, dass das Produkt gekauft wird. Oder was wären Apple oder Samsung ohne dauernde „500 S3 zu verschenken, weil sie falsch verpackt wurden!!!“ oder „Ein iPhone für 500 Leute“-Posts?
Aber nicht nur Unternehmen, vor allem die Nutzer selbst nutzen diese Art der Wertschätzung. Beispiel: Zu einem Thema wird ein Kommentar geschrieben. Andere Nutzer, die diesen Kommentar sehen fühlen sich bestätigt, weil die dieselbe Meinung vertreten. Somit werden die meisten diesem Kommentar einen Pluspunkt geben. Der Ersteller dieser Nachricht freut sich darüber, denn er sieht, dass andere Menschen mit seinen Gedanken übereinstimmen und diesen auch Teilen. Durch diese Belobigung (“Das hast du sehr gut gemacht, dieser Post entspricht meinen Gedanken!” vom Punktegeber an den Verfasser) fühlt sich der Urheber bestätigt und freut sich innerlich. Warum ist das so? Können wir uns nicht selber bemitleiden?
Wir Menschen streben nach Anerkennung durch andere. Schon vor der Steinzeit haben die Menschenaffen versucht einander zu beeindrucken. Der männliche Affe hat im Kampf den Rivalen besiegt und erlangt dadurch die Gunst des Weibchens. Oder der charmante junge Mann hilft der jungen Frau galant über die Straße, um ihr Lächeln und ein “Dankeschön, sehr liebenswürdig.” zu erhalten. Selbst wenn die Frau (oder der Mann) etwas gekocht hat und dem Partner schmeckt es, erwarten wir, dass wir für unsere Leistungen anerkannt werden. Es steigert unser Selbstbewusstsein. Und ohne das sind wir nicht das Mensch, was wir sein möchten.
Nachteil dabei: wenn einer einem nicht zeigt (bewusst oder unbewusst), dass er das anerkennt, was der andere gemacht hat, fühlt sich der Verkannte beleidigt oder eben nicht erkannt. Das kann im schlimmsten Falle zum Streit eskalieren, weil wir diese Zuneigung und das Wohlwollen unserer Leistungen einfach brauchen. Vergleiche die Geschichte mit den Säuglingen, die keine Zuneigung erfahren hatten und daran gestorben sind. Mal ernsthaft: wer erwartet nicht die Anerkennung seiner Leistung durch andere?
Wir sagen dem Mann, dass er das richtig gut macht. Wir ernten ein Lächeln.
In sozialen Netzwerken sieht es dann so aus, dass wir immer und immer wieder Toptweets schreiben, irgendwelche Bilder oder Videos hochladen um zu zeigen, dass wir auch etwa können. Vielen geht es dabei auch um die Informationsverbreitung. Aber innerlich freuen wir uns über jede Zuneigung, die wir dadurch erfahren. Beispiel: jemand hat seine Führerscheinprüfung bestanden und meldet dies. Aus Prinzip erwarten wir ein “Glückwunsch”, um uns gut und anerkannt zu fühlen, dass unsere Leistung (positiv) gewertet wird. Oder dass man in der Beziehung mit einer Person ist. Die Freunde freuen sich darüber und sprechen durch die Punktevergeberei ihre Freude und Anerkennung darüber aus. Je mehr Leute das sehen und auch kommentieren, desto mehr erfreuen wir uns daran. Und desto mehr Bilder von unserem Partner und uns teilen wir. Laden hoch, machen ein Video daraus, wie toll wir ihn finden. Und dann zerbricht alles. Für viele bricht eine heile Welt zusammen.
Wie wir uns in sozialen Medien verhalten, so verhalten wir uns gerne gegenteilig im realen Leben. Im Internet sind wir die Größten. Aufschneider, Playboys, Partybienen etc. Doch lugt man über den Bildschirmrand, lächelt nicht mehr mit Duckfaces in die Kamera, sieht unser Ego meist ganz anders aus. “Wozu sind wir hier, wenn uns keiner liebt? Ach, ihr Leute, so weit entfernt, ihr liebt mich doch. Kommt, ich lade noch ein paar Bilder von mir für euch hoch. Kommt, ich will Sex mit euch. Allen.” Leider ist es wirklich so. Viele (nicht alle!) verstecken sich hinter Masken (und ja, auch Sänger tun das gerne) oder Animebildern. Trifft man sich in der Öffentlichkeit, kapselt man sich mit seiner Stammgruppe ab. Ich gebe zu, es ist einfacher mit denen etwas zu unternehmen, die man länger und ausführlicher kennt, als mit Leuten, die man nur von Profilbildern kennt. Nur: kannte man seine Stammgruppe auch von Anfang an? Warum kann man sich nicht mit etwas fremden Leuten unterhalten?
Es ist wahr. Soziale Medien verändern unser Leben. Die einen verweichlichen, die anderen blühen regelrecht auf. Es hat alles seine Schatten- sowie Sonnenseite. Bleibt zu hoffen, dass wir uns nicht auf der Schattenseite wiedersehen. Denn persönlichen Kontakt zu anderen Menschen ist eines der wichtigsten Errungenschaften von uns Menschen. Ohne den würden wir eingehen. Ohne Kontakt würde wir keine Freunde haben, die uns sagen “Hast du fein gemacht.”.
Wir sehen den Mann am nächsten Tag wieder. Diesmal ist ihm etwas heruntergefallen und wir heben es auf und geben es ihm. Er lächelt scheu und sagt Danke.